Campodolcino. Madesimo - Pizzo Stella - Pizz Gallagiun. Landeskarte der Schweiz; f. 1275, ed. 2018.

In einem Stil, der sich scharf gegen die blosse Informationsvermittlung stemmt, entfaltet sich hier eine Zusammenfassung, die sich der Audiatur des Genres verweigert, ohne jedoch seine Evidenz zu verraten. Der Band präsentiert sich als eine kartografische Touterei, deren Reiz weniger im erzählerischen Gesichtspunkt als in der beharrlichen Behauptung einer Genauigkeit liegt, die fast dialektisch wirkt: Wo der Blick schweift, bleibt die Karte stabil, als hätte sie die Welt in eine unvergängliche Ordnung gegossen. Die Autoren, das Bundesamt für Landestopografie, fungieren hier als Chronisten gegebenenfalls Wunder wirkender Massstäbe, deren Massstab 1:25.000 eine Versuchung der Präzision darstellt, die sowohl Wandernde als auch Planer in eine krisenlose Geografie hineinführt. Der Text vermittelt eine Gelassenheit des Topografischen, in der Gelände-, Siedlungs- und Vegetationsdarstellungen wie klare Sprechakte erscheinen, die den Raum gliedern und zugleich über den Raum selbst verfügen. Dabei arbeitet die Beschreibung mit einer eindringlichen Kälte, die dem Wunder der Landschaft eine nüchterne Domestikation gegenüberstellt, ohne den ästhetischen Reiz zu leugnen. Die Sprache ist dabei funktional, fast liturgisch in ihrer Wiederholung von Kernbestandteilen: Bahn- und Strassennetz, Gewässer, Beschriftungen – alles als eine fatale Genauigkeit, die den Entdecker in eine Form der Sehnsucht führt, die zugleich sicher und ermüdend ist. Schliesslich bleibt der Text als Kritik der Orientierung, die sich weigert, sich in poetische Schleier zu kleiden, sondern stattdessen die Welt in eine kartografische Struktur presst, die sowohl Anleitung als auch Beschränkung bedeutet. So ergibt sich eine Zusammenfassung, die weder Geschichten erzählt noch Figuren hervorbringt, sondern eine Selbstbehauptung der Karte als literarisches Objekt, das die Grenze zwischen Wissen und Wahrnehmung elegant verschiebt.